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ARGE: Architektur3 AG, Kerns

Fassade
Der Neubau der Gondelbahn Stöckalp – Melchsee-Frutt ist für die Architekten eine ungewöhnliche Aufgabe. Im Vordergrund stehen hierfür einmal nicht architektonische Fragen, sondern eine eher technisch bedingte Ingenieurslösung. Die Form und Abmessung wird weitgehend von der Funktion und dem Betrieb der neuen Gondelbahn bestimmt. Ein Funktionsbau, der jedoch noch ganz andere Aufgaben erfüllen soll als die des reinen Transports von der Tal- zur Bergstation. Das Haus repräsentiert das Ski- und Feriengebiet Melchsee-Frutt, es ist sowohl der erste wie auch der letzte Eindruck, den man davon in Erinnerung behält und der die Haltung gegenüber dem Feriengebiet mitprägt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, wie mit der Fassadengestaltung umgegangen wird. Die beiden Gebäude stehen mal mehr, mal weniger inmitten der Natur, dringen mit ihrer Massigkeit und Dimension ein in ein bestehendes, erhaltenswertes Umfeld, werden zwangsweise wahrgenommen und geraten ins Blickfeld. Hinzu kommt die differenzierte Sommer- und Winternutzung, die wechselnde Masse der zu befördernden Menschen und die unterschiedlichen Wärme- und Schutzbedürfnisse. Es ist immer ein «entweder oder», ein Entscheid für oder gegen, ordnet man sich unter, stellt man sich zur Schau, entscheidet man sich für die Modernität oder wählt man den Heimatstil, konzentriert man sich auf den Winter oder den Sommer? So wurde bei diesem Projekt versucht, natürlich und selbstverständlich mit diesen Rahmenbedingungen umzugehen. Es wird nichts kaschiert, sondern selbstbewusst und offen gezeigt. Die Materialien, welche für die Aussenhülle der Gebäude geplant sind, zeigen deutlich die Verwandtschaft und Verwurzelung mit dem Ort. Holz als altbewährtes und häufig eingesetztes Material und Stein, hauptsächlich in Form von Beton, verbinden die Häuser mit ihrem Standort. Leicht eingefärbter Beton im Sockelbereich erinnert an das Karstgestein des Untergrundes. Eine von der Idee des Vor-Orts-Materials abweichende, dritte eingesetzte Oberfläche ist Aluminium. Hier wird ein Bogen gespannt zur Technik, zur Modernität, zur Funktion des Hauses. Die grossen aluminiumverkleideten Vordächer betonen die Eingänge und bilden einen Kontrast zum Holz als warmes Material. Fein wird damit signalisiert, dass es mehr ist als ein modernes Chalet, sondern in seinem Innern hochmoderne Technik beherbergt. Nicht nur dass an einem solchen Ort der Einsatz von Aluminium irritiert, sondern auch die ungewohnte horizontale Schalung zwingt einem zu einem zweiten Blick. Das Gebäude zeigt offensichtlich seine ihm eigene Aufgabe, und doch, die dunkle Färbung vom sägerohen Holz mit dem feinen Aluglimmer im Lack, die Spiegelungen in den Fenstern und das matt glänzende Aluminium, welches die Fensterleibungen umspannt und die versetzte Holzschalung oben und unten einfasst, nehmen dem Haus seine Schwere. Einem Tarnanzug gleich verschmilzt das Haus je nach Licht und Reflektionen mit der Natur, es zieht die Farben der Umgebung in das Gebäude, verzahnt die Fassade durch die versetzte Schalung mit der Natur.
Auch die changierende Dachform mit seiner wechselnden Brüstungshöhe nimmt die Form der Berggipfel auf, schafft dahinter Zonen und inszeniert Ausblicke.

Talstation
Die Talstation ist der zentrale Knotenpunkt, dort kommen die Gäste an, und dort verlassen sie auch wieder Melchsee-Frutt. Verkehr und Betriebsamkeit sind die prägenden Elemente. Die Dachlandschaft widerspiegelt dieses Thema. Durch Aufgreifen und Abstrahieren von prägenden Formprinzipien und Materialien wie dem Asphalt und der grünen, hügeligen Wiese geht die Dachterrasse eine Verbindung mit ihrer direkten Umgebung ein. Die Landschaft rund um die Station Stöckalp ist gezeichnet von hügeligen Weideflächen. Die im Boden verborgenen Felsen vermögen hier die Vegetationsschicht nicht zu durchbrechen. Zwei grosse Wiesenflächen mit sanfter Geländemodellierung auf der Bergseite der Terrasse verweisen auf diese intensiv genutzte Vegetation. Zwei Holzdecks im Bereich der möglichen Bar nehmen das dritte Element vom Tal, den angrenzenden Wald auf. Diese Openair-Lounge bietet einem nochmals einen weiten Blick auf die Berge und lässt einem den Tag Revue passieren. Die Idee, in diesem Teil ein Skitestcenter anzubauen, ist bereits vorbereitet mit der hochgezogenen Fassadenhaut und der Öffnung darin. Es wirkt jetzt als Bilderrahmen, als Fenster in der Landschaft. Diese untere Terrassenzone bietet eine grosse, ebene Fläche, welche zusätzlich zum nicht eigens gestalteten Parkdeck nebenan für kleinere Events genutzt werden kann.
Um die Besucher für die Natur und ihre Besonderheiten zu sensibilisieren, sind auf dem Dach verschiedene Informationspunkte angebracht. Diese können in Form von in die Aluminiumbrüstung eingravierten Texten zu den Themen Geologie, Wasser, Flora und Fauna vorkommen.

Bergstation
Die Gestaltung der fünften Fassade der Bergstation orientiert sich an den Formen der sie umgebenden Karstlandschaft – im Gegensatz zu den geschlossenen Weideflächen im Tal sind hier von Kalkstein durchbrochene Magerwiesen mit einem höheren Artenspektrum formgebend. Wie auch bei der Talstation, wo der Bodenbelag aus Asphalt geplant ist, wird hier nun der Kalkstein in seiner Farbigkeit und seinem Ausdruck aufgenommen. Die begehbaren Flächen werden mit leicht eingefärbten Betonelementen verlegt, welche an den Kalkstein rundherum erinnern. Sie bilden Ebenen unterschiedlicher Höhen, auf denen sich extensiv begrünte Flächen, die in Artenzusammensetzung, Struktur und Farbe die Natur aufnehmen. Die durch längliche Einschnitte ausgefransten Übergänge zwischen Betonelementen und Grünflächen sind eine Anspielung an die oft von Pflanzen besiedelten Karren im Karstgestein.
Im Winter spielen diese Zonen keine Rolle, dann ist der Grossteil der Terrasse mit Schnee bedeckt, und das Dach verwandelt sich in eine homogene Aussichtsfläche. Die in ihrer Höhe wechselnde Brüstung aus Aluminium zeigt gerade dann ihre Wirkung, wenn man mit klammen Fingern und bibbernd vor Kälte den Schutz und die gespeicherte Wärme hinter den hochgezogenen Bereichen sucht. Wie in der Talstation erläutern Informationselemente Bestandteile des Landschaftsraumes. Ein entlang der Ostfassade geplanter Stufenweg aus einfachen Holz- und Stahlprofilen erschliesst die Terrasse.
Die Bergstation ist durch ihre Lage stark exponiert und wird mitten in eine sensible Berg- und Felslandschaft gebaut. Um den dadurch entstehenden Eindruck der Überheblichkeit des Menschen über die Natur etwas abzumildern, soll ein Teil des bestehenden Geländesporns erhalten bleiben und auf die Dachfläche hineinlaufen. Diese Massnahme versöhnt den Eingriff in die Natur optisch mit ihrer neuen Bebauung.
Der Idee, die Dachterrasse zukünftig mit einer Solaranlage auszustatten, wird ein Gegenvorschlag vorgelegt. Anstatt diese von der Lage her sehr interessante Aussichtsterrasse zuzubauen, könnte die Solaranlage auf das Dach der bestehenden Bergstation angebracht werden. Sie eignet sich sowohl von der südlichen Ausrichtung wie auch von der Dachschräge her optimal für diese Aufgabe, und somit könnte die neue Dachterrasse für die Besucher freigehalten werden.

Passerelle
Die Passerelle verbindet die alte mit der neuen Bergstation. Durch die gerade Linienführung und die konstante Neigung spielt der Betonkörper mit der Topografie. Das Auf- und Abtauchen ins Gelände macht sich im Innern durch den Wechsel im Material der Wände bemerkbar: Wo immer der Gang durch bestehendes Gestein geführt wird, löst seine strukturierte, raue Oberfläche den ansonsten verwendeten glatten Beton ab. Licht fällt in den oberirdischen Bereichen durch längliche Schlitze in der Wand ins Innere und zeichnet schöne Schatten auf der Struktur. Von aussen betrachtet sind nur die Seitenwände der Passerelle als künstlich erkennbar. Ihre Abdeckung ist mit einer extensiven Begrünung versehen, welche in übertragener Form der von einer dünnen Vegetationsschicht bedeckten Karstrippe ähnelt.

Text: Cornelia Keller, Winterthur

Abgabeplan I
01 - Abgabeplan I
Abgabeplan II
02 - Abgabeplan II
Abgabeplan III
03 - Abgabeplan III
Abgabeplan IV
04 - Abgabeplan IV
Abgabeplan V
05 - Abgabeplan V
Abgabeplan VI
06 - Abgabeplan VI