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Marrakech

Auf dem Djemna el Fna werden alle Sinne angesprochen

Die erste Begegnung mit einer Stadt in einem fremden Kulturkreis. Ich bin froh über die lange Fahrt im Taxi ins Zentrum der Stadt. Eine lange Fahrt, nicht von der Strecke her, aber von der Menge an Eindrücken. Man kann die Szenen wie Bilder eines Kinofilms an sich vorbeiziehen lassen. Erleichtert, hinter Scheiben geschützt zuschauen zu können und noch nicht selber agieren zu müssen. All die verschleierten Frauen, die Männer in ihren Djellabas, wollenen Kapuzenumhängen,
die Verkehrsweise, die spielenden Kinder auf der Strasse, die Eselskarren, die brennenden Feuerchen in den engen Gassen. Die unendliche Dichte, die in dieser Stadt herrscht, bleibt mir als prägendstes Merkmal in Erinnerung. Allein die Gerüche, welche in die Nase dringen, kann man fast nicht beschreiben. Es ist ein Potpourri aus gebratenem Fleisch, dampfenden Eintöpfen, Weihrauch und Abgasen, wo man innerlich lächelnd an eifrige Feinstaubdiskussionen im entfernten Heimatland denkt

Der islamische Glauben ist hier sehr präsent. Es beginnt frühmorgens mit dem ersten Ruf des Muezzins, der einem Kopf  voller Gedanken das Wiedereinschlafen schwer macht. Die vier folgenden, über den Tag verteilten Rufe erinnern einem immer wieder einmal innezuhalten, und dann strömen die Menschen wieder in die unzähligen Moscheen und Gebetsräume. Es ist eine eigentümliche Klangkulisse, wenn über die Lautsprecher der Moscheen die Verse gesungen werden. Die zeitlichen Verzögerungen und die unterschiedlichen Gebete verweben sich zu einem sirenenähnlichen Teppich, der sich über die Stadt legt.

In der Medina die Orientierung zu behalten, ist anfangs sehr schwierig und bedarf einiger gedanklicher Anpassungen! Wenn man morgens das Gästehaus verlässt und versucht, sich bestimmte Läden und Eckpunkte zu merken, wird man abends verwundert feststellen, wie völlig anders doch nun wieder alles aussieht. Die Gassen verändern ständig ihr Erscheinungsbild. Ein Handwerker in einem winzigen Raum wird seine Werkstatt tagsüber in den freien Strassenraum auslegen, der Teppichhändler von nebenan alle erdenklichen Aufhängemöglichkeiten mit seiner Ware besetzen, der Bäckersjunge mit den frisch aus der Backstube geholten Süssigkeiten sich mit dem mobilen Verkaufsstand an die Ecke stellen, das freie Plätzchen sich in einen Eselparkplatz umwandeln,…

In Marrakech kann man gut den Wechsel beobachten, welche die junge Generation Marokkos in den nächsten Jahrzehnten erleben wird. Die Altstadt mit seinen Souks steht im Kontrast zum aufkeimenden modernen Leben mit Internetanschluss und Fastfood-Ketten in den neuen Stadtquartieren und um die Universitäten. Viele junge Bewohner dieser Millionenstadt kennen vermutlich noch eine Kindheit in einem einfachen Lehmhaus irgendwo in den Bergen, ein Leben, das stark von der Natur mitgeprägt ist. Architektonische Zeichen dieser Veränderung sieht man bereits, wenn man aus dem Flughafen tritt. Der neue Anbau ist auch Thema eines Blogs, der sich mit moderner Architektur Marokkos befasst. Auch dies noch eine Seltenheit!

So anders und fremdartig die Stadt ist, so sicher und wohl habe ich mich gefühlt. Wenn man versucht, sich auf die Kultur einzulassen und sich vom Strom mittragen zu lassen, erscheinen einem die Ängste plötzlich als völlig unbegründet und man freut sich über die kurze Zeit, die man in dieser Welt miterleben darf.

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