Ich besuchte diesen Herbst die Ausstellung «Practical Utopias» im «Center For Architecture» in New York, welche noch bis zum 18. Januar 2014 läuft. Mich hat weniger der gedankliche Inhalt der Ausstellung mit dem Titel «Praktische Utopien» begeistert. Nein; die sechs exakt gleich grossen Stadtausschnitts-3D-Printing Modelle im Maßstab 1:5000, von NRI gesponsert, hatten es mir angetan. New York, Hongkong, Seoul, Shanghai, Singapore und Tokyo im direkten Vergleich bezüglich städtischer Verdichtung! Die Modelle haben mich an meine Studienzeit erinnert, als wir über den Stadtplan von Venedig jenen von Manhattan gelegt haben und so zwei Weltstädte aus verschiedenen Epochen städtebaulich vergleichen konnten.
Ich habe drei der sechs oben aufgeführten Städte räumlich und inhaltlich erlebt: New York, Hongkong und Shanghai. Es wird ja immer wieder gesagt, dass Shanghai oder eine andere asiatische Stadt Manhattan in den nächsten Jahren als Hauptstadt der Welt ablöst. Als ich die Modelle betrachtete – der Modellausschnitt entspricht einer Grösse von 1.6 x 1.6 Kilometer und wurde jeweils im dichtesten Teil der Stadt gewählt – bestätigten sich meine Beobachtungen von Reisen deutlich: Keine der fünf asiatischen Städte hat bezüglich baulicher vertikaler Verdichtung auch nur den Hauch einer Chance, in den nächsten Jahren New York City als Hauptstadt der Welt abzulösen, siehe Fotos auf der linken Seite, welche ich in der Ausstellung geschossen habe. Je grösser der Grauanteil in den jeweiligen Modellfotos, um so grösser ist die vertikale Verdichtung.
Vertikale Verdichtung ist für eine zukünftige Hauptstadt der Welt ein zentrales und essenzielles Element. Ein spannungsvoller Mix aus Dienstleistung, (Sub-)Kultur, Tourismus und Wohnen kann nur entstehen in genügender baulicher Dichte. Verdichtung steht ja auch für «sich auf das Wesentliche zu konzentrieren». Es braucht physische Dichte, damit sich ein Ort inhaltlich überdurchschnittlich entwickeln kann. Natürlich reicht bauliche Verdichtung bei weitem nicht, wenn die politische Situation nicht genügend ist …
Was heisst Verdichtung in Bezug auf die Einwohner für die sechs erwähnten Städte: Die erste Zahl, siehe untenstehender Abschnitt, steht für die Einwohner der jeweiligen Metropolregion. Die zweite Zahl steht für die Einwohner der politischen Stadt und die dritte Zahl steht für die Einwohnerdichte pro Quadratkilometer und gibt auch Aufschluss über die vertikale Verdichtung der jeweiligen politischen Stadt:
New York 19.5 / 8.2 Millionen / 12’731 Einwohner pro m2 – Hongkong 10.0 / 7.1 Millionen / 6’396 Einwohner pro m2 – Seoul 23.8 / 9.8 Millionen / 16’175 Einwohner pro m2 – Shanghai 24.8 / 15.1 Millionen / 3’630 Einwohner pro m2 – Singapore 5.3 Millionen / 7’126 Einwohner pro m2 – Tokio 35.6 / 9.1 Millionen / 14’508 Einwohner pro m2
Eine eindrückliche Zahl bezüglich vertikaler baulicher Verdichtung sind die 27’475 Einwohner pro Quadratkilometer in Manhattan, die deutlich aufzeigt, warum New York City Hauptstadt der Welt ist. Manhattan grenzt sich räumlich als Insel klar von den restlichen vier Stadtteilen ab, in einer Grösse, die überschaubar ist. Die Insel ist 21,6 Kilometer lang und zwischen 1.3 und 3.7 Kilometer breit, nicht zu gross und nicht zu klein. Manhattan ist Konzentration pur und auf Felsgrund gebaut!
Übrigens: In der Stadt Luzern wohnen nur 2’700 Personen pro Quadratkilometer, es hat also noch genügend Platz – ohne, dass wir in Luzern Hochhäuser bauen müssen; siehe auch Post vom 3. Juni 2013 Hochhäuser in und um Luzern?
Tipps:
- AIV zu Berlin-Brandenburg: Metropolengespräche 30 – Die vertikale Stadt
Auch als Nicht-Architekt (eigentlich unmöglich, sich so zu nennen – jeder darf sich ja Architekt nennen) eindrücklich. Relativiert mein Bild dieser asiatischen Superstädte. Spannend wäre der Vergleich, nicht nur die Verdichtung und damit das «in die Höhe ragen» zu vergleichen – sondern die Ausdehnung in der Fläche. das sähe wohl anders aus.